CD Projekt Red Blog Kasia Kuczynska
Blog von Kasia "Thilnen" Kuczynska, Game Designerin The Witcher von CD Projekt Red, Dezember 2007
Crunch Time
Ich möchte euch heute etwas über die dunkle Seite im Beruf des Game Designers (sowie anderen Jobs im Team) erzählten. Diese dunkle Seite kann man mit zwei Worten beschreiben: Crunch Time. Crunch Time umfasst den Zeitraum gegen Ende eines Projektes, wenn es kurz vor der Fertigstellung steht und wenn jeder mit doppeltem Einsatz seine Arbeit machen muss. Also Überstunden machen, damit das Spiel rechtzeitig fertig wird und dabei die Qualität des Spiels nicht aus den Augen lassen.
Unsere Crunch Time begann im Juni 2007 und dauerte bis Ende September – vier ganze Monate. Für mich und wahrscheinlich auch viele meiner Kollegen war das eine schwierige Zeit. Ich kam morgens um 9.00 Uhr zur Arbeit und machte um 19.00 Uhr Feierabend. Um 20.00 Uhr war ich dann zu Hause. Samstags habe ich meist bis 15.00 Uhr gearbeitet und habe den Rest des Wochenendes genutzt, neue Kräfte zu sammeln für die kommende Woche. Das war echt hart, ich kann's nicht leugnen.
Es ist vorgekommen, dass viele meiner Kollegen noch länger im Studio blieben als ich. Ich habe dann Mails von ihnen bekommen, die um 3.00 Uhr, 5.00 Uhr oder 8.00 Uhr abgeschickt wurden – sie haben die Nacht durchgearbeitet.
Einige Male habe ich Karol am nächsten Morgen im Studio vorgefunden – eingeschlafen am Arbeitsplatz. Als er aufwachte, hat er einen Kaffee getrunken und sich wieder über seine Aufgaben hergemacht.
Die Frau von Bory hat während dieser Zeit ein Kind, eine Tochter, zur Welt gebracht. Einige Tage darauf habe ich ihn schlafend unter seinem Schreibtisch entdeckt.
Viele von uns haben viel Einsatz und Kraft in die Entwicklung des Spiels investiert, oft mit Abstrichen im Privatleben und trotzdem immer mit dem Ziel vor Augen, dass The Witcher gut werden sollte und die Fans kein weiteres Jahr auf die Veröffentlichung warten sollten.
Einige von euch haben sicher schon einmal darüber nachgedacht, einen Beruf in der Spielindustrie zu ergreifen. Viele Leute mögen uns um das beneiden, was wir tun. Seid euch aber auch darüber im Klaren, dass so ein Job ebenso die Bereitschaft zu Überstunden voraussetzt, um das Spiel zu perfektionieren, ebenso wie zu wenig Schlaf, euer Tagesablauf gerät durcheinander und es kann deswegen zu Spannungen in eurer Beziehung kommen – all das erlebt ihr während der Crunch Time.
Ich hoffe wirklich, dass wir für unser nächstes Projekt keine so ausgedehnte Crunch Time brauchen und dass wir mit allem rechtzeitig fertig werden ohne viel um die Ohren geschlagene Nächte.
Wie sieht Crunch Time in der praktischen Ausführung aus?
Durch Crunch Time habe ich einen beachtlichen Teil meines Tagesablaufs in der Firma verbracht. Das brachte meine eine Menge Nachteile, aber die Firma hat alles gemacht, um uns diese Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Die Firma spendierte uns eine "Special Crunch Box" – Extra Essensrationen, die es ab 19.00 Uhr und an Wochenenden gab. Ich nahm mir auch schon immer meine täglichen Mahlzeiten mit zur Arbeit – Frühstück, Mittag- und Abendessen, was ich mir in unserer nicht zu verachtenden Küche zubereitete. Ich hatte meine Kosmetika und Duschsachen im Badezimmer der Firma dabei und Kleidung zum Wechseln an meinem Arbeitsplatz.
Während der Crunch Time gab es kein Internet mit Ausnahme von einer Stunde von 13.00 bis 14.00 Uhr – der Happy Hour. Am Wochenende sah es besser aus, weil wir dann zu jeder Zeit online gehen konnten. Projektleiter erhielten Extra-Zulagen wie Energy-Drinks, die dann auch jenen zur Verfügung standen, die länger blieben. Für jeden gab es immer täglich frisches Obst ohne Ende.
Im September stellte die Firma eine Masseuse ein. Die Massagen taten nach den vielen eintönigen Stunden am Schreibtisch wirklich gut.
Ich bin froh, dass die Crunch Time hinter mir liegt. Neben meinem Job bei CDPR habe ich meine MA Diplomarbeit geschafft und die PR Angelegenheit für ein EU Projekt (Mütter bei der Arbeit leisten mehr) betreut. Insgesamt brauchte ich nach all dem eine längere Erholungspause, in der ich eingeschlafene Freundschaften wieder belebte und mich mit der Frage auseinandersetzte, ob ich weiterhin als Game Designer arbeiten möchte. Ich kann euch sagen, dass ich meine Entscheidung nicht bereute habe, am Abenteuer "The Witcher" mitgewirkt zu haben. Es hat sich gelohnt.
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