Entwicklertagebuch #1 : Handlung und Geschichte
Im zweiten Entwicklertagebuch vom 4.6.2010 zu "The Witcher 2: Assassins of Kings" erzählen Produktionsleiter Tomasz Gop sowie Sebastian Stepien (leitender Story Designer) und Arkadiusz Borowik (Story Designer) über Besonderheiten im Handlungsablauf des Spiels.

Entwicklertagebuch #1 – Handlungsgeschichte und Welt
"The Witcher 2: Assassins of Kings" bietet eine großartige und epische Handlung, bei der es nicht erforderlich ist, die Romane gelesen oder The Witcher 1 gespielt zu haben. Das Spiel bietet außerdem massig viel Spielspaß.
Geralts Gedächtnisverlust und die damit zusammenhängenden Probleme stellen einen wichtigen Teil der Handlung dar. Geralt kann eine Menge in Erfahrung bringen. Manchmal mehr als ihm lieb ist, da er schnell erkennt, dass es Dinge in der Vergangenheit gibt, auf die er nicht unbedingt stolz ist.
Die Handlung in "The Witcher 2" ist nicht linear und das ist an vielen Stellen erkennbar, zum Beispiel auf emotionaler Ebene, wenn Charakterbeziehungen umgesetzt werden, die Geralt zu seinen Gefährten und allen Nebenfiguren aufbaut.
Wir möchten nicht, dass die Spieler ihren Charakter passgenau in vorgegebenen Varianten ausbauen, die die Entwickler für sie vorgeschrieben haben. Wir möchten nicht, dass sie einen guten oder schlechten Held kreieren, um Entscheidungen zu treffen, die mit den Entwicklungen übereinstimmen müssen, damit ein bestimmtes Ende erreicht wird. Nein. Wir wollen, dass jede Entscheidung für sich und im Zusammenhang wichtig ist. Wir wollen, dass der Spieler über seine Entscheidung nachdenkt, um das Beste aus seiner momentanen misslichen Lage zu machen unter Berücksichtigung eventueller späterer Konsequenzen. Über andere Faktoren soll gar nicht gegrübelt werden.
Die Geschichte in "The Witcher 2" ist kürzer als die aus dem ersten Spiel. Aber das bedeutet nicht, dass wir eine inhaltsärmere Geschichte zu erzählen haben. Sie ist tiefgründiger und eindringlicher.
Mithilfe unserer neuen Engine haben wir versucht, unsere Handlungen anders zu verweben, Ereignisse wie eine Romanerzählung darzustellen. Wir haben beispielsweise die meisten Quests mit viel Rumrennerei sowie "Hol-und-Bring" Aufgaben außen vor gelassen. Die (Kurz-)Geschichte hat einen enorm großen Umfang. Es bleibt daher abzuwarten, wie viel Stunden Spielzeit da drin stecken.
Die Welt, die ihr in "The Witcher 1" und "The Witcher 2" seht, stammt unverkennbar von Andrzej Sapkowski. Und wir können kaum von der Hand weisen, dass wir uns von dieser Welt inspirieren ließen. Sie ist so etwas wie eine Enzyklopädie für uns, aus der wir unsere Informationen schöpfen. Wir beziehen uns sehr stark auf die slawische Kultur. Für uns ist die Striege das krasseste Ungeheuer, das bisher in Computerspielen vorgekommen ist. Es gibt allerdings auch weitere Anspielungen auf andere europäische Kulturen, wie zum Beispiel die Keltische, Skandinavische oder die germanische Mythologie, aber zur slawischen Kultur gibt es die meisten Bezüge.
"The Witcher 2" bietet eine fantastische Geschichte, die praktisch für sich allein bestehen kann. Es lohnt sich, das Spiel zu spielen, auch wenn man "The Witcher 1" nicht gespielt hat. Gleichzeitig gibt es eine Vorrichtung, die es möglicht, den Spielstand aus dem ersten Spiel zu importieren. Der Spieler bekommt außerdem die Auswirkungen im zweiten Teil zu spüren von Entscheidungen, die er im ersten Teil getroffen hat. So können bestimmte Charaktere aus "The Witcher 1" uns im zweiten Teil ganz anders behandeln, abhängig davon, wie wir den ersten Teil abgeschlossen haben.
Es gibt eine große Anzahl an Charakteren in "The Witcher 2", sehr viel mehr als es in "The Witcher 1" gab. Das schließt Charaktere aus der Geralt-Saga und dem ersten Teil des Spiels ein als auch Charaktere, die wir speziell für die neue Geschichte erschaffen haben.
Ein Weg, die Geschichte feste Formen annehmen zu lassen sind Allianzen eingehen und in bestimmten Situationen mit besonderen Gefährten erschienen. Ihre Anwesenheit, bzw. Nichtanwesenheit können den Ausgang bestimmter Handlungen beeinflussen. Diese Gefährten sind nicht mit denen zu vergleichen, die man in Bioware Spielen erhält. Dort hat man beispielsweise die Entwicklung die Gefährten in der eigenen Hand, ebenso ihre Handlungen, wenn sie euch begleiten. Sie sind unabhängige Charaktere, die man auswählt, um eine Mission abzuschließen. Das Spiel kontrolliert, was sie tun, aber ihre Gegenwart während einer Unterhaltung kann den Dialog in eine bestimmte Richtung führen oder den Ausgang eines Kampfes entscheiden. In "The Witcher 2" sind die Charaktere das Herzstück der Geschichte, die auf deren Leben fokussiert ist. Ihre Hintergrundgeschichte muss uns einnehmen, uns voranbringen und ununterbrochen unser Interesse wecken. Daher haben wir uns entschieden, dass erotische Beziehungen einen sensiblen Platz in der Handlung einnehmen. Sie können nicht wie ein Minispiel gehandhabt werden, eine Spielerei oder irgendetwas, das man aus Jux und Tollerei macht. Wenn diese wichtigen Beziehungen ein Teil des Spiels sind, sind sie auch ein Teil des Dramas, das umgesetzt wird.
Es ist äußerst wichtig, wie die Dialoge Charaktere formen. Das ist etwas, auf das wir viel Wert legen. Selbst unbedeutende Nebencharaktere müssen mit ihren Empfindungen glaubwürdig sein. Sie besitzen unterschiedliche Motivationen und sind emotional widerstandsfähig. Einfache Leute verfügen über ihren eigenen Lebenslauf und das ist etwas, das wir hervorheben. Sie haben ihre eigenen Marotten und reagieren auf die Handlungen des Hexers und dessen Gefährten und auf das, was sie über Geralt wissen. Die Reaktionen unterscheiden sich von einander. Einige reagieren extrem, andere angemessen. Aber selbst im letzteren Fall wird unter normalen Umständen die Gefühlsregung erkennbar. Das sehen wir als etwas Grundsätzliches an.
Generell meine ich, dass Dialoge nicht filmgerecht oder nicht sein müssen, bzw. pathetisch oder dichterisch. Ein Dialog ist entweder gut oder schlecht. Ein guter Dialog ergibt sich aus einem anderen Dialog. Die Dialoge für unsere Charaktere werden direkt aus dem Herzen geschrieben anstatt mechanisch aus Sicht eines Beobachters und dann dem Charakter zugeordnet. Ein guter Dialog ist der Schlüssel dafür, einen Charakter richtig gut kennen zu lernen. Wir setzen alles daran, das in "The Witcher 2" zu verwirklichen. In manchen Dialogen hat der Spieler so viel Zeit wie er benötigt, um eine Dialogauswahl zu treffen. Es gibt jedoch Situationen, in denen es die dramatische Entwicklung vom Spieler verlangt, Entscheidungen innerhalb weniger Sekunden zu treffen.
Die Handlung in "The Witcher 2" ist etwas völlig Neues. Dynamische und interaktive Dialoge, reale und lebendige Charaktere, eine glaubhafte widerstandsfähige Welt und eine mitreißende nichtlineare Handlung. Das alles wird "The Witcher 2" für jeden zu einem wahren Spielspaß machen.
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