Arbeiten in einem sterbenden Genre auf einer sterbenden Plattform

„The Witcher“ war ein ungewöhnliches Spiel. Es war ein Single-Player Rollenspiel, nur für den PC. 2007, als viele die Realisierbarkeit von Single-Player Rollenspielen und PC-only-Werken hinterfragten. Es basierte auf Andrzej Sapkowskis Buch- und Romanserie, die in Polen, dem Ursprungsland des Autors, sehr bekannt ist, in Nord Amerika allerdings nicht. Und es war das erste Spiel, dass CD Projekt RED, das aufstrebende Entwicklerstudio des in Warschau sitzenden Publishers CD Projekt, entwickelt hat.
Trotz all dieser Umstände, führte die kritisch-gelobte Storyführung zu über 1,5 Millionen verkauften Kopien auf einer Plattform. Nach Veröffentlichung der „Enhanced Edition“, welche größtenteils auf das Feedback der Fans basiert, begann RED die Arbeit an „The Witcher 2 – Assassins of Kings“ für PC – ein weiteres Beispiel für „ein sterbendes Genre auf einer sterbenden Plattform“, wie Senior Producer Tomasz Gop trotzig anmerkt.
Die Erfahrung aus der Entwicklung der „Enhanced Edition“ - welche ein gratis Update für alle Besitzer einer Originalversion des Spiels war – zeigte RED's starke Aufmerksamkeit auf das Feedback der Fans und Gop sagt, das diese Mentalität auch im neuen Spiel enthalten sein wird.

In einem tiefgründigen Interview, diskutierte er den bisherigen Entwicklungsprozess, das Ziehen von Inspirationen aus unzähligen Quellen, das Anpassen von schriftlichen Werken in Spielen und das Rücksicht nehmen auf die Fans.


Seid ihr nach dem ersten Spiel direkt in die Arbeit zu The Witcher 2 übergegangen? Wie weit seid ihr?

Tomasz Gop: Wir begannen mit der Arbeit am Spiel, direkt nachdem wir das erste Spiel veröffentlicht hatten. Das war im Oktober 2007. Die ersten anderthalb Jahre arbeitete ein Teil des Teams an der neuen Engine [Tsood] – vor allem erstellten sie Prototypen und fundamentale Sachen – und es war so während des Releases der „Enhanced Edition“ von „The Witcher“, als der Rest des Teams dazu stoß.
Seit dem, es sind jetzt ungefähr anderthalb Jahre, arbeitet das ganze Team, um die 80 Leute, an diesem Projekt. Wir sind zu 60 % fertig und wir werden im ersten Quartal 2011 fertig sein.

War es hilfreich, dass „The Witcher“ ein größerer Erfolg war, als erwartet? Habt ihr das erwartet?

TG: Man erhofft so etwas immer. [lacht] Man wünscht sich immer, das man eine Menge Kopien verkauft. Es gibt einen Witz, den wir gerne machen: Wir verkauften 1,5 Millionen Spiele eines sterbenden Genres auf einer sterbenden Plattform. Und bekamen über 100 Auszeichnungen.

Wir wussten was die Leute mochten; wir wussten was nicht. Wir haben nicht 100 % erreicht. Sondern nur 86. Also gibt es noch Raum für Verbesserungen, und das ist es, was wir tun.

Was ist euer Ziel, eure Hauptziele bei der Entwicklung von „The Witcher 2“?

TG: Das Wichtigste ist, dass wir immer noch glauben, dass gute Hardcore-Rollenspiele spielbar sind. Die Leute wollen diese Spiele spielen. Es gibt ein Missverständnis, dem viele Leute aufsitzen... Das ist kein „Action RPG“, es ist kein „Slasher RPG“. Wir versuchen ein solides, erwachsenes Rollenspiel zu machen. Wir wollen keine neuen Genres einführen. Das Hauptziel ist: Eine Geschichte zu erzählen. Wir versuchen eine Storyführung zu haben, einen Plot, Charaktere, filmreife Zwischenszenen und all das. Deswegen haben wir die Engine neu geschrieben und „The Witcher 2“ gemacht.

Es ist interessant, dass du sagst es ist kein „Action RPG“, weil „The Witcher“ den Ruf hat, einen direkten Kampf zu beinhalten.

TG: Der Kampf spielt eine wichtige Rolle in „The Witcher“, da der Protagonist Geralt ein Hexer ist. Er ist ein Meister des Schwertkampfes. Aber trotzdem, wenn wir ein Spielfeature vor die anderen stellen, dann ist das die Story.

Ihr seid von den zeitbasierten Kämpfen abgewichen. Was war der Gedanke, hinter dem neuen Kampfsystem?

TG:Wir wollten das Kampfsystem ändern, damit es, zum ersten, ein Hardcore-Rollenspiel bleiben konnte – denn es liegen ihm dutzende von Rollenspiel- und Enginemechanismen zugrunde - ,damit es aber, zum anderen, auch erreichbar für die Leute ist, die sich nicht wirklich mit dem Kampf beschäftigen wollen und nur die Story erleben wollen. Wenn man nur schnell durch den Kampf „durchrutschen“ will, kann man dies auf Leicht [Schwierigkeitsstufe] tun.
Auf der einfachsten Schwierigkeitsstufe ist der Kampf nicht wirklich Hardcore. Man hat viele Möglichkeiten, aber ist nicht dazu gezwungen sie zu nutzen – Möglichkeiten wie Alchemie, Kampfvorbereitung, und so weiter, und so weiter. Wir wollen natürlich ein weites Feld ansprechen, aber weiterhin an diesen Möglichkeiten [Alchemie usw.] festhalten.

Vorher hast du „Batman: Arkham Asylum“ als Beispiel für ein Spiel genannt, das ein faires und tiefes Kampfsystem liefert, aber dem Spieler trotzdem auch eine einfachere Schwierigkeitsstufe bereitstellte. Hat dieses Spiel einen direkten Einfluss auf „The Witcher 2“?

TG:Arkham Asylum hat großartige Features. Wir haben keine Angst davor unsere Inspirationen offen zu legen; ich denke, dass dies nicht schlecht ist. Man könnte den Kampf völlig hirnlos durchlaufen, oder man sich für den Kampf vorbereiten, das System und dutzende Bewegungen erlernen, das Gefecht strategisch durch planen, das Ergebnis betrachten und einiges an Freude haben. Und ich denke, dass dies im falle von „The Witcher 2“ so sein wird.

Mit dem ersten Spiel, hattet ihr auch BioWare's Aurora [Engine] verändert. Warum habt ihr nochmal von vorne angefangen und eure eigene Engine geschrieben?

TG: Ich denke wir haben die Geschichte in „The Witcher“ gut erzählt. Ich denke viele Leute sagten: „Ihr wolltet eine gute Geschichte erzählen und ihr habt die richtigen Mittel dafür gewählt.“ Aber wir hatten viel mehr Ideen, die wir mit Aurora nicht umsetzen konnten. Wir denken, dass die Leute unser Vorgehen in „The Witcher“ mochten, und wir haben noch mehr Ideen, die ähnlich dem sind, was die Leute lieben. Aber diese Ideen ließen sich nicht mit Aurora realisieren.

Also haben wir einige Tools neu geschrieben, das ganze Toolset zur Geschichtsführung, für non-lineare Storyverzweigungen, Scripting, Dialoge, Gesellschaftssysteme, [NPC-]Einstellungen, [NPC-]Reaktionen. All diese Tools haben eigene Editoren und Debugger und sie sind alle Systeme, die einfach zu verwenden sind.

Du hast „Batman“ erwähnt. Sonst irgendwelche Spiele, von denen ihr inspiriert wurdet oder die ihr irgendwie interessant fandet?

TG: Also, wir versuchen alle wichtigen Spiele, die erscheinen, zu spielen und sie im Studio zu diskutieren. Beispielsweise, war Sex in „Heavy Rain“ so implementiert, dass er ins Spiel passte. Es war nicht für einen 14jährigen, der nackte Frauen sehen will. Es war die Geshcichte von zwei Personen, die sich näher kommen. Das war eine Sache, die uns dazu brachte, den repräsentativen Aspekt von Sex in „The Witcher 2“ zu ändern. Es gibt keine Sammelkarten mehr. Es ist mehr in der Story verschmolzen und filmischer.

Und du hast wahrscheinlich gesehen, dass die Dialoge streamlined sind [Anm.d.Ü.: Streamlined bedeutet, dass nur die Grundaussage des Gesprächs zur Auswahl steht. Bspw. „Ja“, „Nein“ und „Vielleicht“. Der Protagonist sagt aber immer mehr als ein Wort]. Einige Leute sehen das und denken sofort an „Mass Effect“. Ja, natürlich. Das war gut und interessant, aber wir wollten nicht das tun, was in „Mass Effect“ ist, wo die Unterscheidung zwischen guter und böser Dialogoption zu einfach ist. In „The Witcher 2“ ist das nicht so. Moralische Entscheidungen sind schwieriger.

Wie designt ihr eure moralischen Entscheidungen? Heutzutage wollen mehr und mehr Spiele solche Situationen einbauen, aber die meisten machen dies mit Nummern und Größen.

TG: Ja. Weißt du, ich muss damit beginnen, zu sagen, dass wir uns in einer sehr bequemen Situation befinden, da wir mit der Welt arbeiten können, die Andrzej Sapkowski – der, der die „The Witcher“ Bücher geschrieben hat – erschaffen hat. Wir haben keine generierte Fantasy Welt, was ziemlich großartig ist. Ich sage dir, das ist eine der wichtigsten Quellen für dieses graue Moralitätssystem.

Das eigentliche Prinzip funktioniert so: Man denkt über die Moral nach, wenn man Entscheidungen im Spiel trifft. Es ist ein Unterschied, ob dir das Spiel zeigen will, ob du gut oder böse handelst, oder ob das Spiel nur will, dass du dich entscheidest, als wärst du ein Hexer. Das bedeutet, dass alle Entscheidungen Konsequenzen haben, die nicht darauf basieren, ob man sich für gut oder böse entschieden hat. Sie basieren auf dem, was man will.

Arbeitet ihr weiterhin zusammen mit dem Autor?

TG: Er ist nicht wirklich ein Fan von Computerspielen. Es spielt selber keine Spiele. Aber während der Entwicklung von „The Witcher“, als wir den Inhalt des Spiels gesammelt haben, haben wir ihn hin und wieder konsultiert, um zu überprüfen, dass wir stimmig arbeiten. Beispielsweise, die erste Karte für die Welt von „The Witcher“, wurde von uns erstellt. Niemand hat das zuvor gemacht. Das Bestiarium, die Neigungen der Charaktere – all das ist konsequent aufgebaut. Möglicherwiese werden wir das mit dem Nachfolger genauso machen.

Versteh mich nicht falsch – die Geschichte kommt von uns. Es ist unsere eigene Geschichte. Sie passiert, nachdem das Buch aufhört. Wir versuchen stimmig zu bleiben, aber wir haben so viele Ideen, wie wir die Geschichte erzählen wollen und wir nutzen diese Ideen auch.

Also habt ihr so etwas wie erzählerische Freiheit?

TG: Ja. Wir beschweren uns auch nicht. Wenn wir jemanden [Charakter] neu einführen wollen, dann können wir das. Zum Beispiel, Vernon Roche, ist in den Büchern nicht erwähnt, während Triss, die Zaubererin, in den Büchern sogar eine bedeutende Rolle spielt. Ich denke das läuft gut.

Wie geht der Prozess des Schreibens vonstatten? Das ist eine junge Demo, aber die englischen Dialog erscheinen sehr natürlich. Ihr schreibt nicht auf Englisch, oder?

TG: Du wärst überrascht. Zuerst denken wir über die Hobs nach – Storyblöcke, die passieren müssen. Wir nennen diese Blöcke Hobs. Einige der großen, wichtigen Teile der Story müssen passieren und die Designer sitzen da und denken über diese Teile nach. Dann überlegen sie sich den Dialog und schreiben ihn relativ gleichzeitig auf Polnisch und Englisch. Also ist Englisch eine unserer zwei ersten Sprachen. Die Leute, die die Dialoge schreiben, denken über den Weg zum Dialog nach, schreiben den Dialog und rufen dann den Übersetzer.

Also habt ihr fähige Schreiber im Team?

TG: Definitiv. Einige von denen haben 18 Jahre lang Texte für Fernsehserien oder Filme geschriebn.

Fühlt ihr euch, als würdet ihr euer Fanpublikum gut kennen? Wie du gesagt hast, es ist eine Plattform und ein Genre, welche oft als „sterbend“ bezeichnet werden, trotzdem konntet ihr einen großen Wurf landen.

TG: Nach der Veröffentlichung von „The Witcher“ bekamen wir Unmengen – Millionen – von Kommentaren die uns zur „Enhanced Edition“ brachten. Das bedeutet, man weiß nie was die Menschen denken, solange man nicht das Spiel veröffentlicht hat und sich genug Zeit gelassen hat, um ordentliches Feedback zu kriegen. Wir sind neugierig und vorsichtig, da wir glauben, dass wir, anders als die meisten Entwicklerstudios, sehr viel Zeit in das Sammeln von Kritik stecken und diese dann bearbeiten.

Also, ja, aber wir sind vorsichtiger, weil wir immer noch viel machen wollen.

Fühlt es sich so an, als hättet ihr bei den Fans genug Steine im Brett, dass ihr auch mal was anderes versuchen könntet?

TG: Wir geben zur Zeit keine Anerkennungspunkte aus. [lacht] Das ist nicht das, was wir machen. Definitiv nicht. Wir wollen bei unseren Prinzipien und Regeln bleiben. Wir hatten nie Zweifel daran, dass es am wichtigsten ist, auf die Fans zu hören und deren Kritik zu bearbeiten. Für uns ist das völlig natürlich und selbstverständlich. Es muss so sein und das ist auch der Weg, den wir nehmen.


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