Sapkowski über Wiedźmin, Fantasyfilme und die Abneigung gegen Fantasy

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Als Liam Neeson einmal gefragt wurde, wer Jedi-Ritter seiner Meinung nach in Wirklichkeit seien, antwortete er kurz: Schlichter. Im Fall von Wiédzmin erscheint die Antwort nicht so einfach. Zu Geralts Opfern gehören öfter Menschen - menschliche Bestien als Monster.
Möchten Sie versuchen, eine eigene Definition für Hexer aufzustellen?

Was soll ich da versuchen? Nun - wenn ich mir erlaube zu paraphrasieren -, was ein Hexer ist, kann jeder sehen. Der Held – es kann nicht schaden, daran zu erinnern – entstand als Charakter einer einzelnen Geschichte. Ich hatte nicht vor, eine Fortsetzung zu schreiben. Die Figur von Wiédzmin entsprang den Regeln des Schreibens von Fantasy. In dem entstandenen Märchen sollte der Hexer ein gar nicht märchenhafter Professioneller sein, der für Geld das tut, was in Märchen normalerweise Prinzen, Schuster, Schneider und wandernde Ritter mit viel Edelmut übernehmen.
Als sich herausstellte, dass eine Fortsetzung folgen sollte, musste ich den Charakter ein bisschen komplizierter gestalten, ihm mehr Ausdruck verleihen und ihn mehr mit Problemen konfrontieren.
In einem Wort: Ich musste aus dem Hexer jemanden in der Art eines postmodernen „Helden unserer Zeit“ machen.
Alle diese Bemühungen entstanden aus der Not heraus, die Handlung und Intrigen attraktiver zu gestalten, und nicht aus dem Wunsch, für den Charakter eine clevere Definition zu finden.
In seiner jetzigen Form ist der Hexer eine Schöpfung und ein Kind der Geschichte – nicht umgekehrt.

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Es ist nicht zu leugnen, dass eine der größten Herausforderungen bei den Dreharbeiten [für die TV-Serie] im Filmen realistischer Kampfszenen lag (die Kampfchoreographie übernahm Jacek Wysocki, ein Aikido-Meister mit dem sechsten Dan).
Stolperten Sie jemals über einen Film, der wenigstens teilweise Ihren Visionen von Kampfszenen entsprach, die Sie für ihre Bücher „Der letzte Wunsch“ und „Das Schwert der Vorsehung“ für geeignet halten?

Ich bestreite Vorwürfe der Nachahmung, aber ich kann meine jugendliche (alte!) Faszination nicht verstecken. Sowohl für Wołodyjowskis Kampfkunst (Henryk Sienkiewicz: Pan Wołodyjowski), das Schwert d'Artagnans als auch für Kurosawa, Samurai und den Bushido-Kodex. Wiederholte Beschreibungen in meinen Texten, wie ein Pfeilschuss von einem Schwert abgefangen wird, sind Eindrücke von einem Film über den Samurai Musashi, dem legendären und unübertroffenen Meister des Schwertes.

Sie haben einmal gesagt, dass sich „Fantasyfilme nicht wehren“; auf der anderen Seite lobten Sie aber „Conan der Barbar“ von Milius (im Grunde ist das kein Wunder, ist Milius doch unter anderem der Co-Autor von „Apocalypse Now“). Welche Fantasyfilme – für Sie als Zuschauer – wehren sich doch?
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Der Fluch der Fantasyfilme besteht aus zwei Dingen, in dieser Reihenfolge: am Mangel an Verständnis für das Genre und aus Ramsch. Also wehren sich für den Anfang nur vier Filme. Conan der Barbar (John Milius), Excalibur (John Boorman), Willow (Ron Howard) und Der Tag des Falken (Richard Donner).

Viele Menschen betrachten Fantasybücher als etwas Schlechtes, unwürdig als Literatur bezeichnet zu werden. Doch Bücher – genauso wie Filme – sind entweder gut oder nicht gut.
Woher kommt diese Abneigung gegenüber den Autoren, die sich mit Fantasyliteratur beschäftigen (und wir haben wirklich Grund, Stolz zu sein, dass ich nur den Namen Felix W. Kres erwähne)?

Man hätte sehr, sehr große Lust, diese Menschen zum Teufel zu schicken – nicht, ohne ihnen vorher zu erklären, was man von ihrer Abneigung hält. Das werde ich jedoch unterlassen und antworte sine ira et studio*. Ablehner des Fantasygenres denken irrational, dass Geschichten über Drachen, Elfen und Zauberer Märchen sind. Und Märchen sind doch – ipso facto*² – an törichte Kinder adressiert. Man muss also der Fantasie gegenüber aus Prinzip ablehnend gegenüberstehen, weil der Fantasyliebhaber albern, infantil und kindisch ist. Andere hingegen halten Fantasy für eine schlechte Abkehr von der Wirklichkeit und wichtigen Dingen und vergessen, was einmal Jonathan Carrol gesagt hat: dass es keine andere Literatur als Fantasie gibt, dass – wieder paraphrasierend – es absolut keinen Unterschied gibt zwischen der fiktiven Geschichte von Anna Karenina und der fiktiven Geschichte von Wiédzmin.
Schließlich mag die dritte Gruppe von Fantasy-Ablehnern – wie liebenswert in seiner Einfachheit – keine Fantasie wegen ihrer … Popularität. Denn schließlich ist alles, was massenhaft und gerne gelesen wird, schlecht und unwürdig, als Literatur bezeichnet zu werden.
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Zugegebenermaßen hat sich die Fabrik der Träume bei Ihnen noch nicht gemeldet, aber ich denke, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie Ihre gewünschte Verfilmung von Geralts Abenteuern aussehen soll? Wen würden Sie in den Hauptrollen sehen und wen auf dem Regiestuhl?

Natürlich kann das nur ausschließlich Spaß sein. Nie im Leben habe ich mir über so etwas Gedanken gemacht – und noch weniger habe ich meinen Charakteren Schauspieler zugeordnet oder anderen bekannte Gesichter. Nicht einmal im Unterbewusstsein.
Als die Fans mich mit der Frage zu quälen begonnen haben, entschied ich mich für Kevin Costner [nun abgelöst von Mads Mikkelsen] als Hexer und Madeleine Stowe als Yennefer. Aber dennoch: Ich wiederhole, ich halte es für einen Spaß, weil auch die Traumfabrik nur ein Traum bleibt.

In vielen Interviews betonen Sie, dass Sie seit langer Zeit praktisch nicht mehr ins Kino gehen. Warum?

Im Laufe meines Erwachsenenlebens war ich fest im Griff der Tabaksucht, so mächtig, dass es unmöglich war, eine Kinoséance ohne Zigarette auszuhalten. Also habe ich Kino mit dem Fernseher getauscht und mich daran gewöhnt. Von der Sucht habe ich mich befreit, die Gewohnheit ist geblieben.

Sehr selten kommt es vor, dass Literaturverfilmungen mit der Absicht der Schriftsteller übereinstimmen. In welchem Klima sollte Wiédzmin aufrechterhalten werden, damit er wenigstens teilweise Ihre Erwartungen als Zuschauer erfüllt?

Nun, es gibt keine. Ich kann nur die traurige Tatsache bestätigen, dass Adaptionen literarischer Werke, die sich mit der Absicht der Schriftsteller decken, sehr selten vorkommen. Genau so selten gibt es Adaptionen, die genauso gut wie die literarische Vorlagen sind. Aber – chapeau bas vor den Filmemachern – es kommt vor, zwar noch seltener, dass Verfilmungen besser sind als das Original.
Dieses Problem gibt es seit den Anfängen des Kinos und es wird so lange bestehen, wie es Kinos gibt. Also hat es keinen Sinn, ausschweifend darüber zu erzählen.


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* objektiv und sachlich/ unvoreingenommen
*² durch die Tat(sache) selbst; eine unvermeidbare Folge nach sich ziehend

zur Quelle: http://www.film.gildia.pl/filmy/wiedzmin/wywiad2_sapkowski
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