„Die Zeit ist gekommen“
„Die Zeit ist gekommen“
von Erlkönig
Weiße Schneeflocken fielen auf die Erde, tausende, abertausende, sie zu zählen lohnte sich
nicht mehr. Gerald ließ seinen Blick über die von der hochstehenden Sonne hell scheinende
Ebene schweifen. Berge formten bedrohliche Schatten, eine Präsenz lag in der Luft, welche
nicht einmal die mächtigsten Witcher –auch durch Einnahme spezieller Tränke- nicht
erkennen konnten. Gerald zog genüsslich die Luft ein, wie nach einem langem Kampf mit
einem Golem oder seinen Witcher-Gefährten, frisch und leicht schmeckte sie. Langsam
wandte er seinen Blick ab, stieg er die lange Treppe hinab, überquerte er den Innenhof.
Schwerter klirrten während der Geruch von Konzentration in der Luft schwebte und das
Adrenalin anregte. Silber gegen Silber, Stahl gegen Stahl. Gerald genoss die Anstrengung der
anderen die er während des Laufens auf einer leichten Schneedecke spürte,
auf einer höheren Ebene der Hexer-Kunst sogar roch. Ein leichtes Lächeln umspielte seine
Lippen.
„He“, schrie ihm einer zu und zog langsam sein Schwert. Geraldt verstand, zog das seinige
und trat zu ihm. Die Schwerter prallten aufeinander, das leichte Vibrieren des Stahls wurde
vom Wind durch den Hof gezogen. Zählt ein Mensch während des Kampfes die Sekunden, so
ist es unmöglich den Kampfstil eines Witchers zu beschreiben, manchmal ist eine kleine
Pause zwischen dem nächsten Schlag, manchmal wechselt eine Parade in eine Tödliche
Kombination aus Wuchtschlägen. Drehung, Pause, Schlag, links, Rolle, langsam fing Geraldt
an in seine ersehnte Kampftrance zu kommen. Denken war hier nicht von Belang, es waren
spontane Einfälle die ihm kamen und welche zu den berühmten unvorhersehbaren Reaktionen
führten, die einen Kampf gefährlich machten. Eine kleine Schwäche des Gegners, nur eine
kleine Vernachlässigung seiner Deckung, ...Drehung, rechts, das Schwert schnitt durch die
Luft und entwaffnete seinen Gegner. Sein Gegenüber lächelte ihn an, allerdings mit einer
kleinen Spur von Ärgerlichkeit.
„Gut gekämpft heute“.
„Du auch.“
Ein gegenseitiges nicken -mehr war nicht nötig um Respekt zu zeigen- und Geraldt ging
weiter.
Sein Weg führte ihn zu seiner Kammer in welcher ein warmes Feuer prasselte und langsam
die Holzscheite auffraß. Er ließ seinen Blick über den mit einem Teppich bedecktem Boden
schweifen und setzte sich die Arme auf die Oberschenkel stützend hin. Zunehmend
verlangsamte sich die Zeit, immer mehr zählte sie nicht mehr, völlige Ruhe erfasste ihn,
Gefühle verebbten.
Geraldt stand auf, ging zu seinem Turmfenster und betrachtete den Vollmond der heute
eigentlich nicht am Himmel stehen sollte. Die kühle Nachtluft strich ihm sanft über das
Gesicht. Er wusste, dass sie heute versuchen würden die jetzt in ihrer der stärksten Phase
dagewesene Präsenz zu ergründen; seine Schritte führten ihn zur großen Halle.
Die Halle war voll mit Witchern, jeder in seine Meditation versunken. Geraldt kniete sich
nieder und langsam versank auch er in die tiefe Ruhe, welche er sich immer ersehnte.
Langsam kamen auch die letzten hinzu und setzten sich hin. Magische Fäden flogen durch die
Halle und spannen von den in Meditation befindlichen Gedanken der Witcher ein Netz, was
sich unergründlich und geheimnisvoll über den Saal spannte. Langsam bündelten sich die
Gedanken der Witcher, vermischten sich silbern mit den blauen Fäden der Magie und
ergründeten die Präsenz. Ein Wirbel entstand in der Mitte der Halle und stieg zur Decke
hinauf und mit der Zeit trennten sich Schlieren heraus, die zu einzelnen Köpfen flogen;
verbreiteten Gedanken, Bilder. Geraldt machte innerlich die Augen auf, erkundete das sich
vor ihm entstehende Bild und erkannte alte, längst vergessene Witcher: die Zeit der Seinigen
war gekommen, Geraldt lächelte.
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