Schwert und Feuer

„Schwert und Feuer“
von Nevada

Geralt ritt Seite an Seite mit Jard, dem Sohn Dunys, den er vor einigen Jahren eingefordert hatte. Aber das tat nun nichts mehr zur Sache. Der Junge war inzwischen sechzehn Jahre alt und schon voll und ganz ein Hexer. Er vermochte sein Schwert nun beinahe genauso tödlich zu führen wie Geralt und er erinnerte sich kaum noch an seine Eltern. Im schweren Schneetreiben, froren den beiden trotz Handschuhen beinahe die Finger ab, und sie zitterten leicht, trotz dicker Mäntel und bis auf die Agen vermummtem Gesicht. Man hätte sie wirklich für Räuber halten können. Als sie durch ein Dorf ritten, in dem die Menschen in hellem Aufruhr waren, musste Geralt in sich hineinlachen. Wie sie jedes Jahr am gleichen Tag mitten im kältesten Winter feierten und dabei die Nahrungsmittel für eine ganze Woche verbrauchten, sich gegenseitig irgendeinen “selbstgemachten” Müll schenkten und behaupteten, es käme von Herzen. Geralt schüttelte jedes Jahr erneut darüber den Kopf. Wortlos ritten sie über den gefrorenen Schlamm des Dorfes und verließen es auf der anderen Seite wieder. Als sie in einer Biegung in den dichten Wald wenige Kilometer nach dem Dorf ritten, ließ der Schneesturm stark nach und es fiel nur gelegentlich eine Schneeflocke durch die dichten Tannen, manchmal kam aber auch eine kleine Lawine die Bäume hinunter. Geralt entschied, dass sie unter fünf dicht zusammenstehenden Tannen ihr Nachtlager aufschlagen wollten. Es war bereits vor einigen Stunden dunkel geworden, doch war gerade erst Zeit fürs Abendbrot. Jard entfachte ein Feuer während Geralt mit einer kleinen Axt von den Tannen, die nicht um ihr Lager standen, einige Zweige als Brennmittel und für ein warmes Schlaflager abschnitt. Das Feuer brannte rasch und Jard warf so viele trockene Nadeln wie möglich in die Flammen, um sie höher schlagen zu lassen und er säuberte so auch ihr Lager davon, damit sie nicht auf einmal brennend aufwachten. Trotz des festlichen Tages hatten sie, wie schon seit Tagen, nur das übliche Brot und den Käse, den sie immer auflegten. Jard breitete es auf einem Stofftuch aus und legte ihre Schläuche ans Feuer, damit das Wasser darin wieder auftauen konnte. Sie machten es sich so bequem, wie es eben ging und aßen ihr kärgliches Mahl. Jard zitterte trotz des wärmenden Feuers und fluchte innerlich darüber, dass sein Meister Geralt diesen Tag mehr hasste als alle anderen im Jahr. An diesem Tag war es immer unmöglich, der Kälte zu entfliehen, da Geralt sich nicht von der Freude anstecken lassen wollte und so nicht in die Wirtshäuser der Dörfer einkehrte. Es war Jard wirklich unklar, schließlich waren die Dirnen an diesem Tag immer recht freizügig und meist betrunkener als sonst, sodass man sie leichter um ihr Geld prellen konnte. Aber nicht einmal das bewegte seinen Meister dazu, in eine warme Stube einzukehren. Jard schmerzten die Zähne vor Kälte, als er aus seinem Schlauch trank.Nachdem sie gegessen hatten und sich ein wenig unterhielten, versuchte Jard, wie jedes Jahr, das Gespräch darauf zu lenken, warum Geralt diesen Tag nicht mochte, ja sogar hasste. Und diesmal schien er, aus welchen Gründen auch immer, ausnahmsweise Erfolg zu haben und Geralt begann zu erzählen und Jard lauschte gespannt. “Diese Frage stellst du mir jedes Jahr. Aber da dies das letzte Jahr deiner Ausbildung ist, werde ich dir diesen Wunsch erfüllen.Es geschah vor mehreren Jahren, ich war gerade erst selbst aus der Ausbildung Vesimirs gekommen. Die ersten Jahre nach der Ausbildung sind immer die, in denen man noch glaubt, Hexer würden nicht nur Monster töten, sondern auch die Menschen vor anderen Menschen schützen. Ich war seinerzeit mit Rittersporn unterwegs.” (Jard nickte kurz und dachte daran, dass dieser, nachdem er gemeint hatte, die Tochter des muskulösen Wirts würde sich auch als Dirne verdingen, diesen Irrtum teuer bezahlte. Er hatte mehrere gebrochene Rippen gehabt und war schließlich innerlich verblutet) “Ich saß mit ihm in einer Spelunke und nahm an den Feierlichkeiten teil, was dementsprechend hieß, sich gegenseitig unter den Tisch zu trinken und den leichten Mädchen zuzugrölen, man würde gleich zu ihnen kommen. Wir hatten bereits mehrere Bier getrunken, da drang von draußen Geschrei herein. Und das musste bedeuten, dass etwas wirklich schlimmes passiert sein musste, denn das Geschrei übertönte sogar die Geräusche der fröhlichen Stimmung, außerdem begann mein Zunftabzeichen zu zittern. Ich war als Hexer so ziemlich der einzige, der noch recht klar denken konnte und zerrte Rittersporn hinter mir aus der Kneipe, um nachzusehen, was los war. Kaum hatte ich die Tür aufgestoßen, da musste sich Rittersporn direkt über die Schwelle übergeben, was uns nicht gerade die Freundschaft des Wirts einbrachte. Doch draußen geschahen schlimme Dinge. Ritter des Ordens der Flammenden Rose waren gekommen und stachen die Männer wie Vieh ab, ritten die Kinder nieder und vergingen sich, trotz der Ordenszugehörigkeit, an den Frauen in deren eigenen Betten, während die Leiche des Mannes auf dem Boden ausblutete. Ich habe schon viel gesehen, aber einem Gemetzel mit einer solchen Grausamkeit habe ich noch nie beigewohnt. Der Schnee auf den Strohdächern hinderte diese auch nicht daran, Feuer zu fangen. Als die Häuser um die Kneipe eine beachtliche Höhe erreicht hatten, kamen auch einige Ritter vor das Wirtshaus, vor dem ich immer noch in meinem Mantel stand, das Stahlschwert bereits leicht aus der Scheide auf meinem Rücken gezogen. Ihr Anführer, oder zumindest der mit der am besten verzierten Rüstung, forderte mich auf, zur Seite zu treten, damit seine Männer dem heidnischen Treiben, wie er es nannte, Einhalt gebieten könnte. “Was ist hieran heidnisch? Im ganzen Land wird so gefeiert.”, meinte ich dazu und suchte seinen Blick in dem dunklen Helm.“Diese Menschen beten einen Götzen an! Sie müssen getötet werden, oder die Saat ihrer schändlichen Blasphemie wird im ganzen Land erblühen!”, sagte der Anführer mit bestürzter Stimme. “Diese Menschen haben nichts getan! Wurde nicht euer Orden auch zu Beginn als heidnisch bezeichnet? Aber man hat euch in Ruhe gelassen.”, meinte ich bestimmt und ging selbstsicher einen Schritt vor. “Wer seid ihr, dass ihr euch so etwas anmaßen könnt?”, meinte der Ritter kurz, dann musste er aber mein Zunftzeichen gesehen haben, denn er rief gleich darauf: “Ihr gehört zu diesen Heiden! Einer dieser verfluchten Hexer seid ihr! Eurer nehme ich mich persönlich an, Ketzer!”, und mit diesen Worten sprang er vom Pferd und zog sein Schwert. Ich tat dasselbe und wir umkreisten uns zunächst nur, dann begann die Phase des Abtastens. Ich schlug mehrere Finten, die er alle sicher mit seinem kleinen Rundschild oder der langen Klinge parierte. Nach langem hin und her war mir dann klar, dass er mir recht ebenbürtig war, mein einziger Vorteil war die größere Schnelligkeit durch meinen leichten Lederpanzer, während er einen Holzschild, ein schweres Langschwert und ein Kettenhemd trug. Ich holte aus und versuchte einen tiefen Schlag, der sogleich von ihm pariert wurde, die Klingen schnitten aneinander vorbei und kleine Funken stoben durch die Luft. Ich drehte mich um meine eigne Achse und traf diesmal absichtlich den Holzschild, der sogleich dem Schlag nachgab und es mir ermöglichte, meinem Gegner einen Schnitt in die Vene des Schildarmes zu verpassen. Rasch floss Blut aus der Wunde und der Ritter setzte zum Gegenangriff an. Er schlug sein Schwert mit gewaltiger Kraft nieder und ich konnte gerade noch vor dem Hieb zurückspringen, doch die Klinge streifte mich im Gesicht und kostete mich fast das linke Auge. Doch durch diesen Schlag aus blanker Wut war seine Waffe nun am Boden und bevor er seine schwere Klinge hochreißen konnte, trat ich auf sie und riss mein Schwert hoch, um dem Ritter der Flammenden Rose de Schulter zu spalten. Aber er riss, von meiner Seite vollkommen unerwartet, ein breites Kurzschwert aus einer Scheide an der Unterseite seines Verletzten Schildarmes. Gleichzeitig sprang er zurück und nun war meine Klinge am Boden. Er machte den Fehler, über sie zu treten und ich schlug ihm mit meinem Schwert eine tiefe Winde bis hindurch zum Knochen, während er mir das Kurzschwert in die Schulter rammte. Noch während er dann durch die Wunde, von einem ohrenzerreißenden Schmerzensschrei begleitet, zu Boden fiel, stach ich meine Schwertspitze direkt in sein Herz und der Kampf war vorüber. Er gab einen letzten, erstickten Laut von sich, doch die letzten Silben gingen in dem Blut unter, dass er spuckte. Ich zog unter den erstaunten und ungläubigen Rittern (zumindest derer mit offenem Helm) das Kurzschwert, begleitet von einem Schwall aus Blut, aus meiner Schulter. Dann stellte ich mich zum Kampf auffordernd, mit beiden Schwertern auf sie gerichtet, neben den toten Ritter, und wartete auf weitere Gegner. Doch es kamen keine mehr. Stattdessen wurden die Ritter, die um den Kampfplatz herumgestanden hatten, von mehreren grünen Blitzen getroffen und sie begannen, am ganzen Leib zu zucken. Mit den Pferden war es das gleiche, sie warfen ihre Reiter ab, um dann selbst zu Boden zu fallen und unter der Kraft der Blitze wild hin- und herzuzucken. Es war ein grausamer Anblick. Das Geschrei der sterbenden war unglaublich, vor allem als die Kraft der Blitze ihnen das Blut aus Nase und Ohren strömen ließ und ihnen die Augen platzen. Nach wenigen Minuten war es dann vorbei und aus einem nahen Gebüsch kleiner Tannen am Waldrand kamen fünf junge Frauen in knielangen, hautengen weißen Gewändern und Blumen in den Haaren begleitet von ein paar Dryadinnen. Es wunderte mich, warum sie nicht froren, ja sogar barfuss durch den Schnee gingen. Doch dann sah ich, dass jede von ihnen ein Medallion ähnlich unserem Zunftabzeichen trug. Es musste ihnen die magischen Kräfte verleihen und sie vor der Kälte schützen. “Sehr schön habt ihr gekämpft, Hexer. Wir sind die Priesterinnen der Meande, das Dorf gehört zu unserem Land und her gibt es viele, die uns und unserer Göttin wohl gesonnen sind. Deswegen haben die hochwohlgeborenen Ordensleute vermutlich auch dieses Dorf auslöschen wollen, was ihnen ja auch beinahe ganz gelungen wäre. Danke Hexer, ihr habt uns die Zeit geschaffen, die wir brauchten, um hierher zu gelangen und den Rest des Dorfes zu retten. Das mindeste was wir tun können, ist euch bei eurer Genesung zu helfen.”, sagte die älteste von ihnen, ich schätzte sie damals auf etwa ende dreißig.Ich willigte damals ein, da ich bereits wirklich recht viel Blut verloren hatte und auch ein Hexer ist nicht unsterblich. Rittersporn hatte inzwischen auch aufgehört, sich am laufenden Band zu erbrechen. Ich scherte mich nicht darum, ob er Betrunken war und setzte ihn einfach auf sein Pferd und wir folgten den Frauen in den Wald.”“Bisher ist es doch gar nicht so schlimm.”, warf Jard ein.“Unterbrich mich nicht oder du darfst dir das Ende selbst ausdenken!”, sagte Geralt und blickte den jungen Hexer streng an.“Nach einer Stunde durchschritten wir eine Art Barriere, mein Zunftabzeichen hatte schon zuvor wild gezuckt, und als wir hindurchgingen, spürte ich, wie sich die Magie der Barriere wie eine Seifenblase um uns schloss. Wo man vorher nur Wald gesehen hatte, war nun eine wunderschöne Lichtung mit mehreren Baumhäusern am Rand und einem großen Steinhaufen in der Mitte, auf dem ein Feuer brannte. Eine der jüngsten Frauen führte unsere Pferde zu dem einzigen Haus auf festem Boden und wir konnten uns dann mit einer Schale Wasser waschen und schlafen legen, als wir aber gerade dabei waren, kam sie wieder und Verband die Wunde, die inzwischen das bluten weitgehend aufgehört hatte.Am nächsten Morgen kam die Junge wieder mit etwas zu essen und während Rittersporn draußen schon wieder seine Kaderverse spielte, konnte ich den linken Arm nur unter großen Schmerzen bewegen. Sie wechselte nur den Verband, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass sie mehr wollte. Nach einer Woche dann war die Wunde dann soweit ausgeheilt, dass wir weiterreisen konnten. Während Rittersporn abends vor den Dryadinnen und den anderen Priesterinnen sprach, kam sie wieder einmal zu mir und fragte mich nur, ob mir sonst noch etwas schmerzen würde. Ich antwortete mit einem kurzen ja und zog sie an mich. Sie wusste gleich, was nun geschehen würde und streifte ihr Gewand ab, unter dem sie nichts trug. Ich habe selten rundere Brüste gesehen. Aber du musst nicht alles wissen, deswegen überspringe ich das nun. Am nächsten morgen zogen wir los und verließen den Wald auf der entgegen gesetzten Seite, auf der wir ihn betreten hatten. Der Geruch von Asche und Feuer lag in der Luft und alle Dörfer, durch die wir kamen, waren verbrannt und die Bewohner zu großen Leichenbergen in den Dorfmitten aufgetürmt. Die Leiche waren verstümmelt und man hatte versucht, sie zu verbrennen, was nicht einmal im Ansatz gelungen war und den Gestank nur verschlimmerte. Ich fragte einen reisenden, was hier geschehen sei, und der antwortete, die Ordensleute hätten dies auf der Suche nach einem weißhaarigen Hexer getan. Ich dankte ihm und fuhr mir unbeabsichtigt mit der Hand über die Kapuze meines Mantels, die mein weißes Haar nur allzu gut versteckte. Wir brachten unsere Pferde zum traben und versuchten, schnellstmöglich in das angrenzende Reich von König Foltest zu kommen, um den Ordensleuten die Jagd zu erschweren.Eigentlich hasse ich nicht den Tag oder das Fest selbst. Ich denke eher, dass ich MICH hasse, und zwar dafür, damals nicht einfach geflohen zu sein, aber ich war zu stolz, diese Herausforderung abzulehnen, die dann nur noch mehr Menschen den Tod brachte.”Geralt endete und seufzte tief. Jard legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter, aber sie sprachen den ganzen Abend nicht mehr darüber und legten sich früh auf ihre Matratzen aus Tannenzweigen und über ihre Decken legten sie erneut welche, um nicht auszukühlen.


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