PREVIEW: The Witcher 2: Assassins of Kings


Triss zaubert...
Übrigens sind manche Antworten unter Zeitdruck zu geben. Nämlich meist dann, wenn es um wichtige Dinge geht, die das weitere, unmittelbare Vorgehen bestimmen. So kommt zusätzliche Kniffligkeit auf, wenn man aus den in Kürze angebotenen Antwortoptionen innerhalb weniger Sekunden die möglichst für den eigenen Spielweg passende heraussuchen soll. Lieber die diplomatische oder die rauhbeinige? Welche hilft jetzt am besten weiter? Schnell, schnell! Hin und wieder kann Geralt das Axii-Zeichen (wir erinnern uns: Die Überzeugungsmagie) in Dialogen anwenden, um den Gesprächspartner von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen: „Nein, diesen Elfen zu töten, lohnt sich nicht“ „Ja, stimmt, du hast recht Geralt, gehen wir, Leute.“ Da kommt doch glatt ein wenig Jedi-Feeling auf. Falls wir uns im Axii-Anwenden allerdings nicht so häufig üben, kann das auch ganz einfach schief gehen. Für ungeduldige Rauhbeine steht andererseits auch immer wieder einmal die Option, Gewalt anzudrohen, zur Verfügung. Doch ob sich damit auf Dauer das Ansehen des Hexers im jeweiligen Kapitel erhöht, ist eher fraglich. Laut den Entwicklern sollen einige Dialogoptionen und Quests erst mit einem bestimmten Vertrauen, das Geralt bei den Leuten erreicht, möglich sein.


... und verzaubert.
Thema Erotik. Infantile – wenn auch hübsch gezeichnete – Sammelkarten wie im Vorgänger gibt’s in Teil 2 nicht mehr. Alles ist nun ein wenig erwachsener, ernsthafter inszeniert. Auch scheint der Hexer nicht mehr reihenweise Zufallsbekanntschaften, die ja alle sooo auf ihn abfahren, flachzulegen. Stattdessen gibt’s direkt ins Spiel eingebaute erotische Szenen. Und bis zum Ende des ersten Kapitels lediglich mit einer Frau, nämlich der Zauberin und Begleiterin Triss Merigold. Ganz zu Anfang des Spiels erwacht Geralt aus einem Albtraum und neben ihm liegt Triss. Eine beginnende leidenschaftliche Liebesszene wird von einem widerlichen Spanner-Soldaten unterbrochen, der ins Zelt lugt und Geralt, während er die nackte Triss vom Zelteingang aus mit den Augen vollsabbert, möglichst langatmig und umständlich mitteilt, dass König Foltest ihn sehen möchte. Im Lauf des ersten Kapitels bekommen Triss und Geralt dann doch noch die Gelegenheit für ein eher kitschiges Stelldichein in einem alten Elfenbad, umrankt von roten Rosen. Auch das dargestellt in Spielgrafik und nein, es nicht nicht interaktiv, sondern eine Scriptsequenz, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgelöst wird. Wie übrigens so viele im Spiel. Bei vielen Quests gibt es Szenen, die automatisch ablaufen und die Dramatik der gerade stattfindenden Handlung unterstreichen. So wird der Spieler zwar jeweils für kurze Zeit in den Status des Beobachters geschoben, andererseits kann nur so eine Szene auf bestimmte Art erzählt werden. Die Scriptsequenzen tragen definitiv zum intensiveren Spielerlebnis bei. Der Kingslayer-Trailer, in dem ein Elf, nachdem er ein großes krabbenartiges Monster abgelenkt hat, eine Höhle betritt und sich dort mit einem Fleischberg von einem Menschen unterhält, ist eine dieser erzählenden Scriptsequenzen in Spielgrafik.



Und wenn er nicht gestorben ist, dann kämpft der Hexer noch heute.
Ein Körnchen Wahrheit

CD Projekt hat in The Witcher 2: Assassins of Kings nicht weniger als drei separate Storyfäden miteinander verwoben. Oder sind diese Stories gar nicht voneinander zu trennen? Wie immer ist alles komplizierter, als man glaubt. Und das macht auch die Faszination der Witcher-Spiele aus: Die Simulation einer Welt, die durch die Einbindung wichtiger Konflikte umso glaubhafter wird, durch die Präsentation verschiedener Standpunkte in Form verschiedener Personen. Einerseits geht es um die Story des Spiels: Die Jagd nach dem mysteriösem Kingslayer oder Königsmörder, wie er schon in einigen Trailern vorgestellt wurde. Dies wird überlagert durch die allgemeine Geschichte, in der sich die ganze Witcher-Welt befindet. Den universellen Konflikt zwischen der Mehrheit der Menschen und der diskriminierten Minderheit der Anderlinge: Elfen, Zwerge, Gnome. Und als drittes kommt hinzu die persönliche Geschichte Geralts, der auf der Suche nach seinen eigenen Erinnerungen ist. Dass sich CD Projekt mit dieser Kombination nicht übernimmt, hängt auch damit zusammen, dass die Entwickler ihre Welt und die erfundenen Menschen, die sie hinein gesetzt haben, jederzeit ernst nehmen. Questgeber stehen nicht einfach nur herum, bis der Held vorbei kommt und Auftrag X annimmt, um damit Erfahrungspunkte für das nächste Level zu bekommen. Alle Dialoge lassen die Motivation der Personen erkennen. Jemand, der der Meinung ist, diese Welt gehöre den Menschen und Elfen würden nur alles kaputt machen, kann diese Meinung genauso plausibel im Dialog erläutern, wie jemand, der das genaue Gegenteil behauptet. Das macht es auch so schwer für den Spieler, sich eindeutig auf eine Seite zu schlagen. Alle haben ihre Gründe für ihre Meinung und für die Aufgaben, die sie vergeben. Das macht die Welt echt und lebendig. Sie reagieren auf die Ergebnisse, die Geralt durch die Lösung der Aufgaben präsentiert.



Wer uns am Ende des ersten Kapitels dankbar hinterher schaut, hängt ganz von unseren Entscheidungen ab.
Fazit:

The Witcher 2 toppt den Vorgänger in Sachen Storypräsentation, Dichte der Inszenierung, Grafik, Weltdesign und Gameplay. Wieder erwarten uns abwechslungsreiche Quests in einer erwachsenen Fantasy-Welt. Ob die Story über das gesamte Spiel fasziniert und wendungsreich bleibt, kann man nach einem Kapitel natürlich noch nicht sagen, aber die Chancen stehen gut. Immerhin war Teil 1 auch schon bis zum Ende spannend. Die Gegnervielfalt pro Kapitel könnte natürlich größer sein und auch das Gebiet von Kapitel eins ist nun nicht gerade als übermäßig groß zu bezeichnen – andererseits bietet die Beschränkung auf ein nicht ganz so ausuferndes Territorium auch die Möglichkeit, alles etwas dichter und atmosphärischer zu erzählen und jede kleine Ecke davon stimmungsvoll zu inszenieren. Die irgendwie an Gamepadbedienung erinnernden Teile des Gameplays (Minispiele, Klettern, interaktive Objekte, Inventarbedienung) muss man mögen oder wenigstens nicht so wichtig nehmen. Die Grafik ist über jeden Zweifel erhaben. Das Kampfsystem ist actionreich. Das eigene Verhalten ist handlungsentscheidend. Hier kommt ein Spiel, das endlich einmal wieder den Namen Rollenspiel verdient, das den Spieler wichtig nimmt.

(Die Zwischenüberschriften des Artikels sind den Namen einiger Witcher-Kurzgeschichten entnommen.)

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